Jetzt war ich also definitiv auf meiner letzten Runde. Mir war klar wie knapp der Vorsprung war und ich musste auf jeden Fall das allerletzte aus mir rausholen. Heidi hatte uns beim Radshop Breuer Powergel gekauft. Das ist eine eklig schmeckende Masse, die mit 200 ml Wasser getrunken werden muss. Steht nicht auf der Dopingliste. Naja, ich hab mir zwei so Dinger reingezogen und mir eingebildet, die bringen was. Vom Start an konnte ich mich gleich in den Windschatten eines Schmalspurheizers hängen der mich bis zur T13 zog. Das war super. Runter über den Bunnyhop ins Hundsloch, hoch zur Fangemeinde die natürlich wieder aus allen Kehlen brüllte. In diesem Moment knallte ein MTBler wie die Sau an mir vorbei.Unglaublich! Er rief mir zu: „Du hast aber tolle Fans“. Ich keuchte zurück: „Das sind die FBI-Fans“. Jetzt erkannte ich ihn. Es war Christoph Lörcks, der 24h Weltmeister. Er fuhr nur so zum Spaß ein paar Runden mit und war natürlich ausgeruht. Wäre der das ganze Rennen mitgefahren würde ich dem mal zeigen was ein Eifler so drauf hat, fantasierte ich. Jetzt war mir auch klar warum plötzlich so viele Fotografen auf der Strecke waren. Doch nicht wegen FBI. Oder?… Am alten Forsthaus klatschte und riefe ein Ehepaar. Ich erkannte meine Eltern. Das hat mich natürlich noch mal motiviert und ich rief ihnen zu, sie sollten ins Fahrerlager kommen. Ich quälte mich den Berg rauf, nur noch den 2. Platz im Kopf. Ich dachte an unsere ersten Trainingsfahrten und wie Willi mich vor vier Wochen zum Fahren, mit ein paar Bier, beim Fuchs überredet hat. An den Christoph, der uns leider nachdem er die Strecke mal gefahren ist, eine Absage erteilte. Der aber den ganzen Freitag bis in die Nacht uns anfeuerte und jetzt schon wieder seit einigen Stunden  im Fahrerlager beim Team war. An den Kirmessamstag, als nach Bier 17, Uli und Dieter per Handschlag ihre Teilnahme fest zusagten. An Begi, den Kollegen von Uli. Der zusammen mit ihm schon mal am Nürburgringlauf teilgenommen hat und für solche Schandtaten immer bereit war. An Ralf, den ich schon seit Jahren kenne aber nie wusste was für ein toller Mensch und Mountainbiker er ist. An Erich, dem ich bei Maggi in Nürburg sagte: „Erich, ich glaub ich hab Scheiß gemacht. Ich hab uns beim 24h MTB-Rennen angemeldet.“ „Echt? Astrein, saugut!“ die Antwort. An Torsten, der mit Abstand das schwerste Rad von uns allen hatte und mit Sicherheit die wenigsten Trainingskilometer (so um die 50). Als er zu uns in den Hof kam und zur Heidi sagte: „Ich fahre da mit, find ich super, ich bin dabei!“ Ich musste an Sven denken, der im Laufschritt einen 20 km Marsch am Donnerstag um den Laacher See gemacht hatte und wie superschnell er hier über die Piste flog.Wie toll es ist zusammen mit meinem Sohn in einer Mannschaft bei so einem riesigen Event dabei zu sein.

Das Piepsen der Kontaktmatte holte mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Es ging den Trail hinunter. Ach du Scheiße, alles voll von Fotofuzis, jetzt bleib ja im Sattel, dachte ich. Alles ging gut. Beim zweiten Trail das gleiche Bild. Auch hier kam ich supersauber durch. Dem Powergel sei Dank. Wieder vorbei an meinen Eltern, Richtung Antoniusbrücke. Jetzt stellte sich ein komisches, seltsames, lange nicht mehr gespürtes Glücksgefühl ein. Mir fielen wieder die vielen Menschen ein. Peter Jung, der uns spontan anbot die Klamotten zu sponsern. Der Moz von der Jungproduktion, der in stundenlanger Arbeit unsere Trikots entworfen hat. Der Abends um halb elf noch mal anrief um alles noch mal abzuchecken. Der andere Peter von der Jungproduktion, der uns die Klamotten im Eiltempo am Freitag von Düsseldorf nach Boos brachte. Alex Haubrich mit seinen Männern und die vielen Helfer die die Brücke am Donnerstag im Fahrerlager aufgebaut hatten. Heinrich Zimmer mit seinem Equipment und seiner unglaublichen sachlichen Ruhe. Gabi, die in ihrer gewohnt laut lustigen Art den Wohnwagenaufbau organisierte und uns das Essen von Petra lieferte. Brigitte, die immer da war, uns unterstützte und motivierende Worte fand. Die vielen Vordereifler die im Fahrerlager und an der Strecke waren. Die vielen Stunden und isotonischen Getränke die wir brauchten um den passenden Namen für unser Team zu finden.

Ich bog auf die Nordschleife und zum letzten mal die Bremskurve hoch. „Quäl dich du Sau, häng dich irgendwo dran“, sprach ich laut. Eine blonde Schmalspurfahrerin bot mir einen Windschatten und sie zog mich bis in die erste Kurve, aber dann musste ich abreißen lassen (Ulis Tipp kannte ich da noch nicht!). Auf Start und Ziel konnte ich wieder im Windschatten fahren. Einige aus unserem Team standen an der Strecke und brüllten mich Richtung Mercedes Arena. Ich brachte meine letzte Runde überglücklich, fast gerührt, den Tränen nahe, zu ende. Na ja, ist ein wenig übertrieben. Sven ging in Runde 56.

Im Fahrerlager angekommen erfuhr ich, dass FBI jetzt voll auf Angriff gehen wollte. Nach Sven sollte erst Erich, dann noch mal Ralf, und wenn er es schaffte vor 18.00 Uhr über die Zeitmessung zu gehen, nochmal unser jüngster auf die Strecke gehen. Während meiner letzten Runde hatten sich Uli, Begi und Heidi diese Taktik anhand von Abstandsmessungen zum Team X-Bike ENJOY zurechtgelegt. Ralf stoppte deren Zeiten und wir merkten dass da noch was zu machen war. Wenn der Plan aufging dann hätten wir den Süddeutschen 2 Runden aufgebrummt. Die Spannung war einfach unglaublich. 

Shaggy kam von seiner Runde volles Rohr zurück in die Wechselzone. Transponder an Erichs rechten Unterschenkel und ab in die Runde 57. Die nächste Abstandsmessung zu unseren Verfolgern ergab das Sven 5 Minuten in seiner Runde auf unsere Kontrahenten gut gemacht hatte. Das war mal wieder unglaublich.

In mir stieg die Spannung, Erich musste seine Runde in ca. 22 Minuten fertig haben damit Rallye noch vor 18.00 Uhr über die Linie gehen konnte. Es durfte nichts passieren. Ich lief ein letztes mal zum Zeitenmonitor um meine Uhr nach der des Computers zu stellen, es ging um jede Sekunde. Wieder zur Strecke um Karl anzufeuern, der im vorgesehenen Zeitfenster im Schatten zweier Schmalspurfahrer angeflogen kam. Er knallte die Boxengasse hoch  an den beiden mit letzter Kraft vorbei, und bog mit maximaler Schräglage in die Wechselzone ein, wo Rallye mit erhöhtem Adrenalinspiegel auf ihn wartetet. Ein schneller Wechsel und Rallye ging in Runde 58.